HCD, wie hoch willst du noch hinaus?
Die Frage ist nicht, wie das Spiel geendet hätte, wenn Saku Mäenalanen bei «Halbzeit» zum 3:1 statt nur den Pfosten getroffen hätte. Der Finne ist nun mal der teuerste und talentierteste «Chancen-Verpasser» der Liga. Die Frage ist vielmehr: Wo wäre Langnau mit so talentierten Spielern wie der HCD?
Die Langnauer sind im Herbst 2025 durch die Resultate und viel mehr noch durch die Art und Weise, wie sie auftreten, das Überraschungsteam der Liga. Sie beherrschen das «Transition game» – also das schnelle Umschalten von Defensive auf Offensive – wie ein absolutes Spitzenteam. Kombiniert mit Hartnäckigkeit, Mut und Leidenschaft in den Zweikämpfen wird daraus eine Mischung, die den Sieg in jedem Spiel möglich macht. An einem guten Abend arbeiten die SCL Tigers im Herbst 2025 härter als jedes andere Team der Liga. Das war auch gegen den HCD so.
Die Langnauer haben Zug (4:3 n. V.) und den ZSC Lions (2:1) die erste Saisonniederlage beschert. Gegen einen «gewöhnlichen» HCD hätten die Emmentaler erneut und zum vierten Mal hintereinander gewonnen. Aber die Davoser zeigten eine bemerkenswerte Qualität: Sie waren dazu in der Lage, den Schalter im Laufe der Partie umzulegen. In der Regel kann eine Mannschaft während eines Spiels die Einstellung nicht mehr ändern. Aber der HCD schaffte es. Nach einer Anfangsphase mit weichem «Schillerfalter-Hockey» folgte fast wie auf Knopfdruck hartes, direktes Spiel und die Wende mit vier Treffern im Mitteldrittel. Aus einem 0:1 wurde ein 4:2.
Hatte Trainer Josh Holden also in der ersten Pause getobt? Offenbar nicht. Obwohl er sehr wohl toben kann. Er sagt zur Wende in dieser Partie: «Was uns stark macht, ist unser Team Spirit. Wenn es nicht läuft wie gewünscht, dann macht keiner dem anderen einen Vorwurf. Untereinander wird diskutiert, was besser werden muss.» Spieler, die sich selbst korrigieren und die der Trainer auch mal sich selbst überlassen kann.
Am Ende steht in einer intensiven Partie ein knapper Sieg (4:3) für den Tabellenführer und das einzige nach wie vor unbesiegte Team der Meisterschaft. Josh Holden gibt zu bedenken, dass wir ja erst am Anfang einer langen Saison stehen. Und doch: Ein guter Herbst hat noch nie geschadet. Der Herbst mag die Jahreszeit der Stürme sein. Aber es ist allemal besser, wenn der Coach im Herbst nur ein laues Lüftchen sein muss. Die Zeit der Stürme folgt erst im Frühjahr.
Auch gegen Davos hat sich gezeigt: Langnau ist das Überraschungsteam des Herbstes. Die Emmentaler spielen das Hockey des Tabellenführers. Aber mit unzulänglichen spielerischen Mitteln. Will heissen: taktisch nahezu perfekt wie der Leader, aber über vier Linien nicht mit den gleich guten (und teuren) Spielern. Es fehlte so wenig. Trainer Thierry Paterlini kann nach einer Niederlage nicht zufrieden sein. Kein Trainer ist nach einer Niederlage zufrieden. Aber er sagte zu Recht: «Ich habe viel Gutes gesehen.»
Andre Petersson hat seine Rippenverletzung auskuriert, die Langnauer konnten sechs Ausländer einsetzen und der Schwede hat beim Debüt für die SCL Tigers gleich zum 1:0 und 3:4 getroffen. Noch wichtiger ist die gute Spielorganisation (Taktik), die es den Langnauern erneut ermöglicht hat, besser zu sein als die Gesamtsumme des Talentes. Sie haben beste Aussichten, die «Keller-Meisterschaft» zu gewinnen und das Play-in zu erreichen.
Und die Davoser sind gut genug, um zum ersten Mal seit der Saison 2010/11 die Qualifikation zu gewinnen. Oder wenigstens um den Qualifikationssieg mitzuspielen. Vor ziemlich genau einem Jahr – am 24. September 2024 – verlor der HCD in Langnau 0:7 und stürzte auf Rang 12 ab. Am Ende reichte es auf Rang 5 locker für die direkte Playoff-Qualifikation und im Halbfinal zu 2 Siegen gegen die ZSC Lions. Und jetzt sind die Davoser als einziges noch ungeschlagenes Team Tabellenführer. Da darf der Optimist schon die Frage stellen:
HCD, wie hoch willst du noch hinaus?